

Vertrauliche Gespräche in Ministerien, Treffen mit MAGA-Republikanern: Die AfD baut ein Netzwerk in den USA auf. Diese Woche reist eine Delegation nach Washington. Die neue amerikanische Sicherheitsstrategie gibt der Partei Rückenwind.
Der Tenor hebt an, die Töne hallen durch den Festsaal in Manhattan: »Deutschland, Deutschland über alles.« Ein AfD-Mann steht stramm, die Hand auf dem Herz. Es ist die verpönte erste Strophe. Die Nationalsozialisten nutzten sie in Kombination mit dem Horst-Wessel-Lied als ihre Hymne. Der Text sollte ihre Überlegenheit manifestieren. Heute ist die Strophe in Deutschland zwar nicht verboten, wird aber bei offiziellen Anlässen nicht gesungen. Als der Opernsänger Emilio Pons die Hymne schmettert, stimmen Mitglieder der AfD wie der US-amerikanischen Republikaner ein. So zeigt es ein Video, das bei einer Veranstaltung des New York Young Republican Club aufgenommen wurde, einer der ältesten republikanischen Jugendorganisationen; die Aufnahme liegt dem SPIEGEL vor. Nur wenige Stunden zuvor hatte die AfD-Delegation Gespräche mit Beamten des US-Außenministeriums geführt. Seit Jahresbeginn tingeln AfD-Mitglieder immer wieder durch die USA. Sie treffen dort Republikaner, Trump-nahe Behördenmitarbeiter, Berater, Aktivisten, Think-Tanker, Influencer. Sie werben für ihre Sache, für Rückhalt aus dem Machtzentrum Washington, um die Lage im eigenen Land zu verändern. Innerhalb der Partei ist seit Monaten ein Satz zu hören: »Washington ist der Schlüssel.«
Die AfD will die US-Regierung davon überzeugen, Druck auf die Bundesregierung auszuüben. Vor dem Hintergrund eines möglichen Verbots der Partei hofft sie auf Schützenhilfe aus Washington. Im »Arbeitskreis Außen« im Bundestag hat die AfD für diese Legislatur den Aufbau von Kontakten in die USA als erstes Ziel ausgerufen, so wurde es dem SPIEGEL aus Parteikreisen berichtet. Wie weit man mit dem Schmieden dieser Allianz ist, zeigte sich beim gemeinsamen Absingen der deutschen Nationalhymne. Und man wird es in dieser Woche erneut betrachten können: SPIEGEL-Informationen zufolge reisen mindestens drei AfD-Bundestagsabgeordnete in die US-Hauptstadt, bevor es am Wochenende weiter nach New York geht, für ein weiteres Treffen mit dem Young Republican Club. Unter den Reisenden sind demnach das Fraktionsvorstandsmitglied Markus Frohnmaier und der stellvertretende Bundessprecher der Partei, Kay Gottschalk. Man treffe sich mit mehreren Republikanern, darunter Anna Paulina Luna, heißt es. Auch eine Sicherheitskonferenz wolle man besuchen. Am Sonntag sind die ersten AfD-Politiker in Washington D.C. eingetroffen. Weidel wartet Zur Vorbereitung des Treffens hatte Luna im November die AfD-Bundestagsabgeordnete Anna Rathert in Washington, D.C., empfangen. Rathert erzählte später, das Treffen sei eher zufällig entstanden, sie habe sich aus anderen Gründen in den Staaten aufgehalten. Die 36-jährige Luna hat in den vergangenen Monaten immer wieder Interesse an Kontakten zu Rechtspopulisten in Europa gezeigt und setzt sich unter anderem für die extrem rechte deutsche Influencerin Naomi Seibt ein. Seibt bewegt sich seit Jahren im politischen Umfeld der AfD. Luna lud auch AfD-Parteichefin Alice Weidel für Dezember nach Washington ein. Weidel sagte allerdings zuletzt, sie werde, wenn überhaupt, erst im kommenden Jahr in die USA reisen. Auch wenn sich die AfD in Washington in dieser Woche mit Vertretern der Regierungspartei trifft: Der Besuch der Delegation in der US-Hauptstadt gilt nicht als offizielle Diplomatie. Aus diplomatischer Sicht handelt es sich lediglich um politische Höflichkeitsrunden, nicht um einen offiziellen Besuch. Das ist dem Weißen Haus und Donald Trump vorbehalten – nur sie dürfen offizielle Kontakte auf Regierungsebene mit ausländischen Politikern führen, die Besuche werden dann über das US-Außenministerium koordiniert. Die Einladung von Luna ist daher mehr parteipolitische Kontaktpflege. Das ist wohl auch der Grund, warum Weidel nicht Teil der Delegation ist. Aus Parteikreisen erfuhr der SPIEGEL, dass die Parteichefin auf eine offizielle Einladung aus dem Weißen Haus oder dem US-Außenministerium hofft. Bisher gibt es eine solche Einladung nicht. »Rechtsextreme Broschüre« oder Sicherheitsstrategie? Trotzdem: Die Delegationsreisen der AfD wirken größer als reine Freundschaftsbesuche unter weltanschaulichen Verbündeten. Denn sie fallen in eine Phase, in der sich die Beziehung zwischen Washington und Europa rapide verschlechtert. In der Nacht zu Freitag veröffentlichte das Weiße Haus eine neue »Nationale Sicherheitsstrategie« . Auf 33 Seiten steht, welche Gefahren die US-Regierung in der Welt erkennt. Besonders im Fokus: Europa. Man müsse dem Kontinent helfen, seinen derzeitigen Kurs zu korrigieren, heißt es in dem Dokument. Wie? Man müsse den »Widerstand gegen den aktuellen Kurs Europas innerhalb der europäischen Nationen kultivieren«. Im »wachsenden Einfluss patriotischer Parteien« liege Grund zur Hoffnung. Regime-Change ist seit jeher Sache der USA. Aber in Europa? Die neue Strategie enthält zumindest Passagen, die kaum anders als eine direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Kontinents verstanden werden können. Das Dokument liest sich wie ein Angriff auf das liberaldemokratisch geführte Europa. Und wie die Scheidungspapiere für eine jahrzehntelange transatlantische Beziehung. Entsprechend schockiert reagiert man in Europa: Der ehemalige französische Botschafter in den USA, Gérard Araud, schrieb auf X, das Papier lese sich wie »eine rechtsextreme Broschüre«. Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte, Bezug nehmend auf die kritischen Äußerungen zur Meinungsfreiheit in dem Papier: »Ich glaube nicht, dass irgendjemand uns dazu Ratschläge geben muss.« CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht in der neuen Sicherheitsstrategie eine große Bedrohung für die Demokratie in Europa. Ziel sei, die innere Verfassung des Kontinents nach den ideologischen Vorgaben der MAGA-Bewegung zu beeinflussen und dafür mit den inneren Feinden der liberalen Demokratie zusammenzuarbeiten. In Deutschland sei das die AfD. Die Petz-Partei Für die AfD hingegen ist die US-Sicherheitsstrategie eine Unterfütterung ihrer eigenen Rhetorik. Fraktionsvorstandsmitglied Frohnmaier drückt es so aus: »Die Analyse der USA ist zutreffend.« Es stehe schlecht um die demokratische Kultur in Deutschland. Auch sonst frohlockt man in der Partei über das US-Papier. Es gilt als weiterer Beleg dafür, dass ihre US-Strategie aufgehen könnte. Und so wird man wohl auch bei der Reise in dieser Woche weiter daran arbeiten, einen Keil zwischen die Merz-Regierung auf der einen und die Trump-Regierung auf der anderen Seite zu treiben. Man wird sich über angeblich fehlende Meinungsfreiheit beschweren und darüber, wie die AfD in Deutschland behandelt wird.
Man kann sich die AfD in den USA als Petz-Partei vorstellen, die sich beim großen Bruder über Gemeinheiten auf dem Schulhof beschwert. Bei den Trumpisten stößt man damit nicht auf taube Ohren. Wirklich durchgegriffen hat der große Bruder allerdings noch nicht. Bisher blieb es bei Unterstützung verbaler Art, die US-Regierung hat nicht offiziell bei den deutschen Behörden interveniert. Man darf gespannt sein, ob das so bleibt.









Oh archive link war bei… Naja nun ist der t3xt auch hier :D